Der Bergsteiger

Der Felskletterer

Gedanken

„Ein Kletterer, der unter einer tausend Meter hohen Bergflanke steht und eine imaginäre Linie zieht, über die er hochklettern will, hat genau den gleichen Blick wie ein Maler vor der weißen Leinwand. Während er steigt, realisiert er Griff für Griff, Tritt für Tritt, seine Linie. Er arbeitet nicht mit Meißel und Messer oder Pinsel und Farbe, sondern setzt all seine Ausdauer, Kraft, Geschicklichkeit ein. Seine Mittel sind die Aktion, das Klettern. Und wenn er zurückkommt ins Tal und hinaufschaut in „seine“ Wand, ist sie für ihn nicht mehr dieselbe wie vorher. Es zieht sich eine Linie hindurch, wenngleich unsichtbar. Diese Linie existiert nur im Kopf des Kletterers. In der Wand bleibt im Idealfall nichts, aber dieses Nichts ist ein Kunstwerk.“

Reinhold Messner